2016-01-08

Ist eine generelle Skepsis gegenüber Technik zeitgemäß?

Zum Paradox von Menschen und Technik

„Ich möchte von Menschen gepflegt werden und nicht von irgendeiner Technik“, höre ich immer wieder bei meiner Tätigkeit in der Forschung. Aber geht es denn darum? Widersprechen sich denn Zuwendung und Technik überhaupt? Technik generell ermöglicht uns ja auch viel Positives. Wie segensreich für alle Menschen sind z.B. Telefone. Sie sind doch heute nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken und bedeuten viel - auch für das soziale Miteinander. Niemand spricht hierbei von der „schrecklichen Technik“.

Eine gut durchdachte und den Menschen in den Mittelpunkt stellende Technik kann einen ähnlichen Stellenwert für das Leben und die Versorgung im Alter gewinnen, wie diese inzwischen ganz normale, Menschen verbindende und oft auch Menschen rettende Funktion des Telefons. Doch dafür muss sich, trotz aller positiven Einschätzungen auf allen Seiten, noch einiges verändern. Technik in der häuslichen Versorgung darf nicht als fremdbestimmt und fremdartig wahrgenommen werden. Die Technik muss sich an den Bewohner anpassen und sich diesem unterordnen. Sie muss unterstützend wirken. In den richtigen Momenten darf sie gerne auch aktivierend sein – sofern dies für den Nutzer akzeptabel ist. 

Assistenzsysteme in Fahrzeugen, wie ABS und Airbags, möchte sicherlich keiner mehr missen. In ein paar Jahren auch keiner mehr das automatische Abbremsen um Auffahrunfälle zu vermeiden. Was brauche ich im Alltag an Sicherheit? Was bedeutet es eigentlich für mich, wenn ich dies und das häufiger mal vergesse? Ist es der Wohnungsschlüssel, das Bügeleisen oder die nicht ausgeschaltete Herdplatte? Meistens geht es ja noch mal gut... 



2015-05-20

Smarthome ready: Wie bereite ich eine Wohnung auf den späteren Einsatz von Smarthome-Komponenten vor?

Im Rahmen meines Projektes Vernetztes Wohnen im Quartier werde ich häufig gefragt, wie man eine Wohnung bei Bau oder Sanierung sinnvoll vorbereiten kann, um den späteren Einsatz von Smarthome-Komponenten problemlos zu ermöglichen. Daher möchte ich hier den aktuellen Stand meiner Empfehlung auflisten, wobei zu beachten ist, dass diese Auflistung noch nicht abschließend ist - Diskussion und Anregungen sind also sehr willkommen.


Ausgangslage


Eine komplette Smarthome-Ausstattung ist derzeit noch relativ teuer und bringt auch noch weitere Probleme mit sich. Komplettlösung sind z.B. sehr komplex und damit schwierig zu steuern und widerspruchsfrei zu konfigurieren (siehe Evaluationsbericht Stand Jan. '15: Erweiterte Evaluationsergebnisse S.2ff).

Während aufsteckbare Funklösungen nur einzelne Bedarfsaspekte abdecken können, ist eine komplexe, kabelgebundene Vernetzung im Bestand durch die derzeitigen elektrotechnischen Gegebenheiten nur sehr schwierig bis unmöglich. Der Elektroinfrastruktur wurde bisher ein zu geringer Stellenwert beigemessen.

Um eine zukunftssichere Smarthome-Ausstattung mit einem beliebigen System bzw. Standard zu ermöglichen, muss eine sinnvolle und strukturierte Verkabelung geplant und umgesetzt werden.


Smarthome ready 


Wohnungen sollten mit einer Art "Smarthome ready"-Plakette versehen werden. Diese "Plakette" gilt es noch zu erarbeiten. Ein wesentlicher Schritt ist eine zukunftssichere Kabel-Infrastruktur. Zu dieser gehören u.a.:

  • Tiefe Schalterdosen, um intelligente Schalter nachrüsten zu können
  • Freie Fächer für spätere Gerätedosen, z.B. auch für die Funknachrüstung
  • Schaltschränke groß genug planen
  • Sicherungen auf spätere Nutzung auslegen
  • Alle vorhandenen und später denkbaren Sensoren und Aktoren sternförmig mit KAT-7 Kabeln ausstatten und an die Verteilerklemmen anschließen (siehe z.B. auch Planung der Verkabelung). Z.B. sollte auch die gesamte Lichtsteuerung zentral in die Verteilung gelegt werden und womöglich wollen Waschmaschine, Herd und Kaffeemaschine später auch einmal vernetzt werden. Das Jahr 2020 fällt hier derzeit immer wieder als der Durchbruch der Vernetzung - optimistisch gerechnet. (Z.B. bei Studien von Bosch oder Gartner's Hype Cycle for Emerging Technologies.) Bei letzterem ist zwar von 2020-2025 die Rede, aber auch innerhalb von 10 Jahren sind nach einem Bau oder Sanierung keine grundlegenden Anpassungen wünschenswert.
  • Strom für spätere Motoren an Fenstern, Türen, absenkbaren Schränken, höhenverstellbaren Waschbecken, beheizten Toilettendeckeln, etc. vorsehen
  • VDE-Richtlinien sollten ohne Anpassungen eingehalten werden können

Individuelle Nachbesserungen verhindern


„Alles was mit ‚Leitungen, Verteilern und Kontakten’ zu tun hat, sollte in den Wohnungen vorbereitet und auch elektrotechnisch abgenommen sein. Darauf lässt sich dann die smarte Elektrotechnik, das Smart Home mit seinen Sensoren und Aktoren, nach Wunsch und Notwendigkeit des Bewohners gut aufsetzen“, so Reinhard Heymann, Projektpartner und Geschäftsführer der Q-Data Service GmbH, der maßgeblich zu der Zusammenstellung dieser Auflistung beigetragen hat.


Fazit


Eine sinnvolle Smarthome-Vorbereitung von Wohnungen bei Bau und Sanierung kostet nicht viel und ermöglicht es später, beliebige Systeme je nach individuellem Bedarf und Wunsch anzudocken. Aufwendige, spätere Anpassungen sind in der Regel deutlich teuerer. Die gegebene "Smarthome ready" Checkliste befindet sich noch in Aufbau und Diskussion, ist aber ein sinnvoller Schritt für den technisch nachhaltigen Wohnungsbau.



2015-03-05

Selbstbestimmt und Sicher Dank Technik


Unsere Musterwohnung in Hamburg Uhlenhorst zeigt, wie ältere Menschen möglichst lange selbstbestimmt und sicher in den eigenen Vier Wänden wohnen können.

Möchten Sie einmal sehen, welche Unterstützung die Technik im Alltag bereits heute leisten kann? Wir suchen Testpersonen, die einige Nächte in der Wohnung verbringen wollen. Bitte melden Sie sich bei Interesse.

Das Projekt „Vernetztes Wohnen im Quartier“ beschäftigt sich mit der Fragestellung, wie der Einsatz von Technik zur Hausautomatisierung den Alltag älterer Menschen unterstützen kann. Beim Einsatz dieser Smarthome-Technik ist es uns sehr wichtig, dass sich ein funktionierendes Lösungskonzept nicht nur an ältere Menschen richten darf, sondern dass auch Komfortfunktionen für die jüngeren Semester unterstützt werden müssen. Darüber hinaus haben wir ein Konzept zur Nachbarschafts-Vernetzung und zur Einbindung lokaler Dienstleister entwickelt. Dies sind weitere notwendige Bausteine für ein funktionierendes Leben im Quartier.

In dem von der EU und der Stadt Hamburg (BGV) geförderten Projekt haben wir eine Musterwohnung in Hamburg Uhlenhorst eingerichtet, in der insbesondere die technischen Hilfen für das Wohnen im Alter erprobt werden können. Nun suchen wir Kandidaten zum Testen. Der Aufenthalt ist selbstverständlich kostenfrei.

Bevorzugt suchen wir Personen, die eine längere Zeit (ab 5 Tage) in der Wohnung verbringen möchten oder Personen denen eine Unterstützung heute schon wichtig ist. Aber auch allen anderen Interessierten jeden Alters steht die Wohnung zur Besichtigung oder zum Testen offen.

Melden Sie sich bei Interesse bitte über das Kontaktformular:
http://www.vernetztes-wohnen-hh.de/index.php?id=51

Oder schauen Sie sich zunächst einen kleinen Film über die Wohnung an:

Und hier noch ein paar Stimmen unserer bisherigen Probewohner:





2014-10-14

Bevormunde nie deine Nutzer

In der vergangenen Ausgabe der Heise-Zeitschrift "Technology Review" wird ein Zitat von mir wie folgt verwendet (S. 79). Es bezieht sich auf die Evaluation unserer Smarthome-Musterwohnung
"[...] Umgekehrt kam „jede Form der Bevormundung durch Technik schlecht an“. Auf wenig Gegenliebe stieß beispielsweise ein Vorhang, der sich nur elektronisch, aber nicht von Hand öffnen ließ."
Anfang letzter Woche hat Deutschlandradio Kultur den Radiobeitrag "Wenn der Mitbewohner Technik heißt" ausgestrahlt. Der Beitrag begleitete unsere technisch unerfahrenste Test-Bewohnerin während der Evaluation unserer Musterwohnung und zeigt eindeutig wie wichtig es ist, dass Technik nicht bevormunden darf, bzw. das neue Möglichkeiten bekannter Komponenten auch wie gewohnt benutzbar sein müssen. Bei den Gardinen/Vorhängen war eine manuelle Bedienung leider nicht realisierbar und genau das war ein Grund, warum bei dieser Probandin die Stimmung kippte und sie sich „gegen das System als Ganzes" entschieden hat.

Aus Evaluationssicht hat diese Bewohnerin - auch wenn die Lösung für sie nicht in Frage kommt - sehr wertvolle Erkenntnisse geliefert.

Mehr zum Projekt "Vernetztes Wohnen im Quartier" und der Evaluation auf der Projekt-Website.

Zum Thema Demenz: Frau Marquard hat ihre Erfahrungen mit der Demenz ihres Mannes in einem Buch festgehalten, welches vor kurzem erschienen ist. Es liest sich, anekdotisch, sehr gut.

Das Vorhaben „Vernetztes Wohnen im Quartier – zukunftsfähige Versorgung älterer Menschen in Hamburg“ wird gefördert von der Europäischen Union Europäischer Fonds für Regionale Entwicklung Investition in Ihre Zukunft und der Freien und Hansestadt Hamburg (Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz). 

2014-09-17

Smarte Neue Welt

Das Buch Smarte neue Welt - Digitale Technik und die Freiheit des Menschen von Evgeny Morozov gibt Inspirationen, falls du dir Gedanken über die folgenden Dinge machst:

Ich bin ein Freund der Technik! Bereits heute ist so viel möglich und ich freue mich um so mehr auf die Zukunft, die noch so viel bringen wird. Ich freue mich auch, dass ich diese Zukunft aktiv mitgestalten kann. Eleanor Roosevelt sagte einmal:
"The world of the future is in our making. Tomorrow is now."
Zumindest behauptet das die Wikiquote-Community. Lohnt es sich, diese Quelle zu hinterfragen? Sollte es nicht stimmen, hätte ja längst die Weisheit der Vielen diesen Fehler korrigiert. Ob das immer funktioniert ist in diesem Artikel nicht die Frage, sondern: Wie ist es, wenn die IT einen an die Hand nimmt und uns durch intelligente Navigationssysteme sogar bescheid sagt, wann wir aufbrechen sollten oder automatisch generierte Trainingspläne (kommt sicher bald) uns das Optimum für unsere Gesundheit rausholen.

Evgeny Morozov beleuchtet u.a. folgende Aspekte:
  • Die smarte Technik führt zu ständiger Überwachung und Verödung des gesunden Menschenverstandes
  • Transparenz führt zu Selbstzensur und Rauschen. Wichtige Entscheidungen werden im Hinterzimmer getroffen.
  • Problem der Piratenpartei: Direkte Demokratie ist nicht möglich, da detaillierte Expertise fehlt [Anm.: Mal anders herum gefragt: Wenn die Bürger nicht Expertise genug haben, um direkt zu entscheiden, haben sie dann Expertise genug zu entscheiden, wer die richtigen Vertreter für sie sind?]
  • Individuelle Suchergebnisse sind von außen beeinflussbar und orientieren sich somit an Firmeninteressen
  • Big Data Analysen verhindern Verbrechen bevor sie entstehen! ZB. kann man Streitgeräusche/-gespräche erkennen, die üblicherweise einer Schießerei vorausgehen. 
  • Diese Techniken verhindern jedoch auch zivilen Ungehorsam, die in der Geschichte immer mal wieder Anlass zu Verbesserungen der Gesellschaft waren.
Ich kann mir die Frage nicht beantworten, ob es - Bsp. ziviler Ungehorsam - dort nicht jeweils eh an der Zeit war und etwaige Aufstände sich auch so entwickelt hätten - es nur jeweils einen Anlass brauchte. Könnte man durch die Technik jeden möglichen Anlass unterbinden? Ich bin mir nicht sicher und muss hierzu noch mal einen Experten befragen (und vielleicht mal wieder Minority Report schauen. Da geht es doch um so einen Fall, oder. Ist der irgendwo im legalen Online-Streaming verfügbar? Ich habe ihn nicht gefunden - Zufall? ;-)

Ich bleibe nach dieser Lektüre auch weiterhin ein Freund der gegenwärtigen Technik und freue mich auch weiterhin auf die Zukunft. Wie immer finde ich jedoch, dass dies wichtige Fragen sind, mit denen auseinanderzusetzen sich lohnt.